access – the obsession of the planter

Zugriffe – die Obsession der Pflanzer
Johann Jakobs Bibliothek Zürich

Les Plantes Tropicales de Grande Culture +++ Sugar, Gold and Coffee +++ Ludivici’s Kaufmanns-Lexikon 5. Teil T bis Z +++ Land und Volk in Sumatra +++ Tegenwoordige Staat van Switzerland, Ita 1. Deel +++ Histoire des plantes de la Guiane Françoise: rangées suivant la méthode sexuelle +++ West-India Common-place Book: Parliamentary and Official Documents Showing the Interest of Great Britain in its Sugar Colonies +++ Welthandel selbst erlebt – Wanderjahre in den Tropen I. +++ Oekonomische Encyclopaedie oder allgemeines System der Land-, Haus- und Staatswirtschaft in alphabetischer Ordnung +++ East-India Progress and Condition +++ El Cafe en el Mundo +++ Les Caféiers et les cafés dans le monde +++ Dictionnaire des drogues +++ Java the Garden of the East +++ De l’orange +++ Tea and Chocolate +++ Howard’s Journey +++ Gottscheds Proben der Beredsamkeit +++ Java or How to Manage a Colony +++ Martinets Natur Catechismus +++ Kulturgeschichte der Gaststätte +++ De Bergcultures negende jaargang deel 1 +++ The Planter’s Chronicle +++ Kasperl’s Kaffeehaus +++ Die Warenpflege +++ The Coffeeplanter’s Manual +++ Tropische Agrikultur +++ Junta Interamericana do Cafe +++ Clubs and Club Life +++ Woody Plants of Ghana +++ Patents Specification Coffee 1891 – 99 +++ A Cummi Poem on Coffee Planting +++ Don’s Gardener’s Dictionary III +++ Economie Agricole de l’Indochine 1932 +++ Court Minutes of the East India Company 1668-1670 +++ Archief voor de Koffie Cultuur in Ned. Indie 1934-36 +++ Geographie Agricole de la France et du Monde +++ Martin’s Colonies +++ Dilligen’s Curiosities 2 +++ Industrial Cuba +++ A World Agriculture – An International Survey +++ Departement van den Landbouw in Suriname over het jaar 1919 +++ Schatzkammer der Nation +++ Die Pflanzen und der Mensch +++ Je ne sai quoi +++ Geschichte des Handels der Europäer in beiden Indien 5.6.7. +++ Dictionary of the Economic Products of India +++ A café no commerce +++ Humboldt’s Equinoctial Regions IV +++ Les Spectacles Théàtre Cirque Music-Hall Café-Concert Cabarets +++ Kamer van Koophandel en Fabrieken Voor Amsterdam, I 1811 – 1936 +++ Die menschlichen Genussmittel +++ Cour’s d’Agriculture 12 +++ Commerce de l’Amerique
Zugriffslinien (aus Buchtiteln der Pflanzer-Bibliothek des Johann Jakobsmuseum; Zürich)

Neokoloniale Formen von Landwirtschaft bilden sich aus dem Wissen der Pflanzer früherer Plantagenwirtschaften und aus zeitgenössischen Formen algorithmischer Steuerung und Zurichtung von Pflanzen, Körpern und Landschaften. Mikrobio-logische und nanotechnologische Prozesse werden Teil einer Kybernetisierung der Agrar-Landschaft. Hochtechnisierte Industriepflanzen gedeihen in Monokulturen auf flurbereinigten und durch zweifelhafte Landnahmen erworbenen Flächen. Automatisierte Säh- und Erntemaschinen perfektioneren die horizontalen Ordnungen der Landschaft oder verrichten ihre Arbeit in der Vertikalität des Hydro-Farmings. Subalterne Erntehelfer werden als human-biologische Maschinenteile in das systemisch gedachte Landschaftsgefüge einberechnet.

Schon die kolonialen Kultivierungen in den Plantagenökonomien des 18. und 19. Jahrhunderts brachten solche löslichen Mensch-Machine-Pflanze-Assemblagen hervor: Pflanzen wie Menschen (unterbezahlte Arbeiter und Arbeitssklaven) wurden aus ihrem kulturellem Kontext herauslösbar, transportabel, in Wechselwirkung mit technischen Apparaturen optimierbar und als Ware austauschbar und fungibel. Das Industrie-werden der Pflanzen, das Pflanze-werden der Arbeiter, das Maschine-werden der Landschaft – cyborgsche Gefüge und Verbindungen begannen sich im Kontext dieser Herrschafts- und Zugriffsformen auf den Plantagen herauszubilden. Die Trennlinien zwischen Mensch und Pflanze, zwischen biologischen Materialien, maschinischen Systemen, synthetischen Organismen wurden permeabel. Einschneidende Klassifizierungen und kameralistische Regulierungen des „natürlichen“ Lebens konnten so auf materieller, psychischer und epistemischer Ebene vorgenommen werden. Diese bestanden also schon lange vor den biomechanischen Zurichtungen der Spätindustrialisierung. Aus ihnen entstanden hierarchische, kapitalisierte Systeme mit paternalistischen, weissen Pflanzern an der Spitze (Plantokratien). Diese leben ihr Herrschafts-Begehren leidenschaftlich auf Makro-, Mikro- und Nanoebenen aus und bestimmen, damals wie heute, über die Regelung von Repräsentation und Sichtbarkeit und damit über das, was in Wissen transformiert und affirmiert wird.

Um die Aktualität dieser Obsessionen der Pflanzer zu verhandeln, durchquerten wir die „unwissenschaftliche“, aus der Bias kolonialer Plantagenbesitzer und Rohstoffhändler entstandene Bibliothek des Johann Jacobs Museums in Zürich. Die nicht systematisierte und nicht aufgearbeitete Bücherkollektion wurde im Auftrag des weltweit operierenden Kaffeehändlers Johann Jacobs finanziert und zusammengetragen. Sie stellt sich auf eigentümliche Weise stumm, hinter Glastüren versperrt, ornamental und wohlverwahrt im Sitzungszimmer des Museums selbst aus.

Wir konzentrierten uns bei der Durchsicht und Zitierung der Dokumente auf die Materialitäten, Diagrammatiken und visuellen Verhandlungen dessen, was sich hier als Pflanzer-Know-how in einer Büchersammlung (17. Jahrhundert bis ca. 1960er Jahre) wiederfinden lässt. Vorwiegend wird englisches und niederländisches Kolonialwissen dokumentiert.
So begegnet uns in Jahrbüchern von Pflanzervereinigungen aus Sumatra, Java und Cuba, in Reiseberichten und landwirtschaftlichen Journalen und Chroniken – diese unterscheiden sich kaum von zeitgenössischen Investitionsofferten zu Kautschuk-, Palmöl- und Sojaplantagen – der väterliche weisse Kosmopolit. Er präsentiert sich lächelnd, mit den servilen lokalen Experten im Gefolge, im optimierten Grid der Landwirtschaft. Er greift sachverständig nach den Früchten und prüft diese, während im Hintergrund die stummen weiblichen Erntearbeiterinnen und die unermüdlich ihren Dienst verrichtenden Apparaturen scheinbar nahtlos mit der tropischen Natur verschmelzen. All das begleitet und gerahmt von Werbung für Maschinen und Technik und von Ratschlägen zur Optimierung des Ertrags.

knowbotiq aktiviert mit ihrem visuellen Beitrag in dieser „Pflanzerbibliothek“ einige der Konzeptionen und Artikulationen, die die Mensch-Maschine-Pflanze-Gefüge hervorgebracht haben und die auch weiterhin die Politiken der plantokratischen Regime gestalten und stabilisieren.

the project is published in “The Air Will Not Deny You – Zürich im Zeichen einer anderen Globalität”, ed. Daniel Kurjaković et al., diaphanes: Berlin/Zürich, 2016